5.5 Zusammenfassung (Grundwasser) 

Die Betrachtung des als Rohwasser für die Trinkwasserversorgung des Ballungsraums Berlin genutzten Grundwassers macht eine Fülle von Fehlern in der Wasserwirtschaft deutlich. Diese Fehler im quantitativen wie auch im qualitativen Bereich führen heute zu immer kurzfristigeren, unüberlegteren Reaktionen von Verwaltung und Wasserversorgern. Das uralte Prinzip der Nachhaltigkeit, dessen sich insbesondere die Wasserwirtschaft immer wieder rühmt, wurde und wird in Berlin nicht ernst genommen. Die Folgen dieser Fehlentwicklungen verschlingen Milliarden DM, sind also wirtschaftlich eine Katastrophe (obwohl sie selbstverständlich das Bruttosozialprodukt erheblich steigern). 

Berlin ist mit der Ressource Grundwasser von der Natur sehr begünstigt worden. Der Aufbau der Süßwasser führenden quartären und z.T. tertiären Schichten ist zwar komplex, aber durch die große Mächtigkeit der Grundwasserleiter und das etwa 2000 km² große Grundwassereinzugsgebiet ist der "Grundwasserspeicher" sehr groß. Die Grundwasserneubildung ist allerdings wegen der geringen Niederschläge und der hohen Verdunstung mit etwa 100 mm/a im Vergleich zu den von maritimem Klima stärker beeinflußten Gebieten Deutschlands recht gering. 

Die Grundwasserfließgeschwindigkeiten sind im Urstromtal außerhalb der Einzugsgebiete der Wasserwerke mit etwa 1 cm/d sehr gering, auf den Hochflächen liegen sie bei bis zu 20 cm/d, in den Absenktrichtern der Wasserwerke werden bis zu 50 cm/d erreicht. Das Grundwasser fließt im natürlichen Zustand i.d.R. von den Hochflächen zu den Gewässern im Urstromtal (Spree, z.T. Havel). Innerhalb des Urstromtals herrscht ein sehr geringes Gefälle nach Nordwesten. Durch die Wasserfassungen der Wasserwerke werden diese Fließverhältnisse jedoch in weiten Bereichen umgedreht, so daß Wasser in großem Maße aus dem Oberflächengewässer ins Grundwasser versickert. 

Die geringen Grundwasserflurabstände (1 bis 2 m) im Urstromtal und den Tälern der Hochflächen tragen einerseits zur erhöhten Evapotranspiration auf diesen Flächen bei, sie erhöhen allerdings auch die Gefahr von Schadstoffeinträgen ins Grundwasser. 

Die Grundwasserganglinien weisen im naturnahen Zustand eine Jahresperiode mit einer Amplitude von wenigen dm auf. Durch anthropogene Eingriffe in den Wasserhaushalt werden die Perioden verkürzt und die Amplitude wesentlich größer. Schwankungsbreiten von mehreren Metern am Tag sind in der Nähe der Brunnengalerien in gespannten Grundwasserleitern keine Seltenheit. 

Die Grundwasserneubildung aus den Niederschlägen ist eine vieldiskutierte Wasserhaushaltsgröße, da in die Berechnung eine Reihe von problematischen Parametern wie Flächennutzung, Grundwasserflurabstand, Klimagrößen und Bodenparameter eingehen. Wegen der Deckung des Berliner Wasserbedarfs aus dem Grundwasser wird oft die Forderung nach einer möglichst hohen Grundwasserneubildung erhoben. Entsiegelungsmaßnahmen und Regenwasserversickerung werden mit diesem Argument begründet. Der Vergelich mit den natürlichen Verhältnissen zeigt, daß diese Vorgehensweise nur beschränkt richtig ist. So beträgt die Grundwasserneubildung eines Waldes nur etwa 100 bis 120 mm/a, teilweise sogar noch weniger, was mit der Versickerung von durchlässigem Straßenpflaster durchaus vergleichbar ist. Aber das Straßenpflaster hat weder eine Retentionsfunktion wie der Wald noch ist die Verdunstung annähernd so hoch. Eine zu starke Erhöhung der Grundwasserneubildung durch eine übermäßige Regenwasserversickerung kann zu einem starken Anstieg der Grundwasserstände führen. Es ist daher unbedingt auf den gesamten Wasserhaushalt zu achten und ein möglichst naturnahes Verhältnis von Oberflächenabfluß, Verdunstung und Grundwasserneubildung anzustreben. Die Höhe der Verdunstung kann allerdings nur durch Grün reguliert werden (Bäume, Dachbegrünung usw.). 

Die Grundwasserqualität macht die Lage auch für die Wasserversorgung dramatischer als es die quantitative Seite zunächst vermuten läßt. Hier zeigen sich die Fehler, die durch die Vernachlässigung des Nachhaltigkeitsprinzips gemacht wurden, am deutlichsten. Die Altlasten mit ihren Milliarden DM teuren Sanierungen sind Ausdruck der Nichtbeachtung von Stoffströmen und -kreisläufen. Der Boden wurde als "Senke" mißbraucht und gibt die Stoffe nun wieder ab (übrigens im Ost- wie im Westteil der Stadt gleichermaßen). Besonders kritisch ist die Situation bei den Stoffen, die über lange Zeit weder mikrobiologisch abgebaut werden, noch auf leichtem Wege wieder aus dem Boden entfernt werden können. Zu der ersten Gruppe gehören auf jeden Fall die chlororganischen Verbindungen. Ein Verbot der Herstellung und Verwendung dieser Stoffe wird vom BUND seit langem gefordert und die Chancen stehen für ein solches Verbot nicht schlecht. Bei den Schwermetallen ist ein solches Verbot noch in weiter Ferne. Hier ist oft eine Sanierung auch leichter möglich (wenn es sich nicht um so große Flächen wie die Rieselfelder handelt). Die Wasserversorgung selbst steuert auch ihren Teil zur Ausbreitung der Altlasten bei. Durch zu hohe Grundwasserentnahmen und die damit einhergehende Erhöhung der Grundwasserfließgeschwindigkeiten wurden die Schadstoffe zusätzlich im Grundwasserleiter verteilt. Das Problem aufsteigender Salzwässer aus großer Tiefe wird ebenfalls durch die Grundwasserentnahmen in entscheidendem Maße beschleunigt. Das dritte Problem, das durch die Grundwasserentnahmen hervorgerufen wird, ist das der Verunreinigung des Grundwasserleiters bzw. der Deckschichten durch die Uferfiltration und die künstliche Grundwasseranreicherung durch Schadstoffe im Oberflächenwasser. 

Eines läßt sich aus den Erfahrungen der letzten Jahre deutlich ablesen: Vorsorge ist besser und vor allem billiger als anschließende Sanierung. Das betrifft sowohl die Altlastensanierung als auch das Wassermanagement in der Stadt. Selbst für die alte und neue Bausubstanz gilt es, sorgsam mit der Ressource Grundwasser umgehen zu lernen und sinnvollere Maßnahmen durchzuführen als ökonomisch und ökologisch fatale "Grundwasserregulierungen" (Rudow und Kaulsdorf), die nichts weiter als eine grenzenlose Verschwendung der Ressource Grundwasser auf Kosten des Steuerzahlers sind. 

 

Autor: Wolfgang Gossel
 
 
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