4.1 Die Entwicklung der Böden in Berlin und Umland
Die natürlichen Bodengesellschaften Berlins und Ausschnitte ihrer Entwicklung in der wachsenden Großstadt wurden in Forner & Gossel (1996) bereits zusammenfassend beschrieben. Sie stellten zunächst noch eine Lebensgrundlage der in unserem Raum lebenden Menschen dar. In weiten Teilen des Stadtgebietes wurden die Böden jedoch stark von den Menschen verändert. Schon durch die ackerbauliche Nutzung wurden die Böden verändert. Der Bodenumbruch und das Unterpflügen von organischem Material führte zur Durchmischung von Oberboden und darunterliegenden Horizonten sowie zu mächtigeren humosen Oberböden. Im Vergleich zu den naturnäheren Waldböden sind die Oberböden heute jedoch an Humus verarmt. Der saure Regen, der seine Ursache im Schwefel dioxid- und Stickstoffoxidgehalt der Luft hat, führt zu einer Versauerung der Böden. Die Schwefeldioxide und Stickstoffoxide werden in Niederschlagswasser gelöst und bilden Säuren. Alkalisch reagierende Stoffe im Boden (insbesondere Kalk, aber auch andere Salze) werden durch den Säureeintrag neutralisiert und aus dem Boden "ausgewaschen". Der Boden reagiert anschließend sauer. Dieser Vorgang wird oft (auch im folgenden Text) als Pufferwirkung des Bodens beschrieben, obwohl es sich streng genommen um eine Neutralisationsreaktion handelt. Die starke Versauerung, von der reine Forstböden, insbesondere sandige, betroffen sind (pH-Wert 3 - 4), ist bei Ackerböden durch Kalkung und Düngung nicht eingetreten. Gleichzeitig wurden die Kationen Kalium (K+), Calcium (Ca2+), Magnesium (Mg2+) und Natrium (Na+) bei den Ackerböden künstlich erhöht, während die Forstböden durch den sauren Niederschlagseintrag an diesen Stoffen verarmt sind. Die Ackerböden wurden durch schwere Landmaschinen stark verdichtet. Große Niedermoorbereiche wurden im Zuge der landwirtschaftlichen Nutzung und der Urbanisierung trockengelegt. Andere Eingriffe in den Luft-, Wasser- und Stoffhaushalt der Böden in den innerstädtischen Bereichen gehen jedoch viel weiter. Stadtböden waren schon vor der Industrialisierung einer großen Zahl von Belastungen ausgesetzt: Verdichtungen und Versiegelungen, Belastungen durch organische und anorganische Abfälle, von Fäkalien (Sickergruben) bis zum Brandschutt, Baustoffgewinnung (Ziegelgewinnung auf den Hochflächen, Kiesgruben), Baugrund, in dem Keller und Fundamente angelegt wurden und dessen Aushub umgelagert wurde sind nur einige Beispiele. Seit der Industrialisierung und insbesondere in diesem Jahrhundert nahmen die Bodenbelastungen stark zu. Die Versiegelung historischer Verkehrswege (Feldsteinpflaster) ist nicht zu vergleichen mit heutigen asphaltierten und betonierten Straßen. Die Bodenversiegelung beträgt in einigen Stadtteilen wie Kreuzberg, Schöneberg, Tiergarten, Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain heute bis zu 100%. Von 1950 bis 1984 wurden allein in Berlin (West) ca. 4800 ha Freifläche überbaut und versiegelt, eine Fläche, die größer ist als der Bezirk Neukölln. Die Neubaugebiete in Marzahn und Hellersdorf und die geplanten Projekte im Nordosten der Stadt sind ein beredtes Beispiel für die weitere Entwicklung. Die kilometerlangen Güterzüge mit Müll, die heute täglich ins Umland fahren, nehmen Deponieraum in Anspruch, der sicher das vieltausendfache von dem beträgt, was eine Stadt vor der Industrialisierung an Abfällen produzierte. Die Eindringtiefe der Eingriffe erhöhte sich stark: Trinkwasserleitungen, Kanalisation (Schmutzwasser und Regenwasser), Elektro-, Telefon- und Fernsehkabel, alles wird unterirdisch verlegt; dazu kommen U-Bahnen, Hochhäuser, Straßentunnel usw.. Aber nicht nur die quantitativen Ausmaße sind in den letzten 200 Jahren nahezu exponentiell gewachsen. Vor der Industrialisierung beschränkten sich die stofflichen Belastungen weitgehend auf Fäkalien, Aschen, Bauschutt, Küchen- und Schlachtereiabfälle. Gerbereien und andere Handwerksbetriebe bzw. Manufakturen produzierten zwar auch schon eine Reihe nicht oder schwer abbaubarer, giftiger Abfälle. Erst das Wachstum der Chemieindustrie und der Einzug ihrer Produkte in Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe führte zu einer Explosion von Gefahren für Luft, Wasser und Boden. Altlasten als Überbegriff für alte Industrie- und Deponiestandorte, von denen eine Gefährdung für den Menschen ausgeht, sind nur ein kleiner Ausschnitt der qualitativen anthropogenen Bodenveränderungen heute. In Freizeitanlagen, Gärten, Grünanlagen, Friedhöfen usw. werden künstliche, anthropogen geprägte Böden durch die Aufbringung von Rindenmulch und "Gartenerde" aus dem Baumarkt geschaffen. Durch
Für die zukünftige Trinkwasserversorgung Berlins
spielen sowohl die quantitativen Aspekte der Bodenbelastung (Verdichtung
und Versiegelung) als auch die qualitativen Aspekte (Altlasten) eine entscheidende
Rolle. Eine kleine Bestandsaufnahme soll dieses Problem verdeutlichen.
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Autor: Wolfgang Gossel
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