4.2.2.2 "Neue" Lasten
Nicht nur Altlasten belasten den Boden. Flächendeckend wirken Schwefel- und Stickstoffverbindungen sowie andere anorganische und organische Stoffe über den atmosphärischen Eintrag auf den Boden. Sie verändern die Bodensubstanz und schädigen die Organismen, die im und vom Boden leben. Im Umland von Berlin nehmen landwirtschaftliche Flächen etwa 500 – 600 km² ein. Ein Teil dieser Flächen wird in großem Ausmaß mit Gülle und Fäkalien bzw. Abwasser gedüngt. Auf diesen und weiteren intensiv bewirtschafteten Flächen ist der Boden mit Nährstoffen (Stickstoffverbindungen, Phosphate) sowie Pestiziden belastet. Dies trifft auch für viele (Klein-)Gärten in Berlin zu. Auch Müll und industrielle Abfälle werden nach wie vor auf Deponien "entsorgt" (die Sorge setzt meist erst nachher ein!). Der KFZ-Verkehr ist allgemein sicher eine der größten Belastungsquellen: Über die Atmosphäre werden seine Abgase und über unbehandeltes Regenwasser entlang der Straßen weitere Stoffe wie z.B. Brems- und Reifenabrieb, Schmier- und Treibstoffe usw. in den Boden eingetragen. In der letzten Zeit nehmen auch die Anträge beängstigend zu, bei Schnee Salz als Taumittel einsetzen zu dürfen. Mittlerweile werden nicht nur einige Krankenhausrampen sondern auch Speditionen, Rathäuser usw. von der Pflicht befreit, den Schnee zu räumen anstatt Streusalz einzusetzen. Dies alles sind legale, billigend in Kauf genommene Belastungen des Bodens! Ein wesentlicher Teil unserer "Lebens-Grundlage" wird auf diese Weise mehr oder weniger systematisch zerstört! Selbstverständlich sollen auch die nicht genehmigten und die unbeabsichtigten Bodenkontaminationen nicht unbeachtet bleiben. Hierzu zählen die Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen, unzureichend gesicherte Anlagen meist älteren Baujahrs und ungenehmigte Ablagerungen von "Abprodukten" jeglicher Art, die in der Regel reine Schadstoffe oder stark schadstoffhaltig sind, auf Firmen- und Privatgrundstücken. Während die Unfälle meist schon mit der notwendigen Sorgfalt bearbeitet werden, werden immer wieder Fälle bekannt, bei denen keine Überprüfung bestehender Altanlagen auf ihre Umweltauswirkungen stattfand. Selbst in Wasserschutzgebieten ist die Überprüfung und Überwachung nicht gewährleistet, wie ein Fall im Wasserschutzgebiet des Wasserwerks Wuhlheide 1993 per Zufall zeigte. Bisher waren Tankstellen die ersten Adressen, wenn es um die Aufspürung permanenter Bodenkontaminationen ging. Ob sich das mit den neuen Verordnungen zum Umbau der Tankstellen entscheidend ändert, wird sich dann in einigen Jahren zeigen. Ein zweiter flächenhaft bedeutender Eintrag von Schadstoffen auf Firmengelände, der bisher weitgehend unbeachtet blieb, sind die Betriebsanlagen der Bahn. Auf ihren Strecken können im wesentlichen zwei Schadstoffgruppen festgestellt werden: Mineralölderivate (insbesondere Schmieröle an den Weichen, Stellwerken usw.) und Herbizide (zur Bekämpfung des Pflanzenwuchses auf den Bahnanlagen). Für Berlin sicher auch nicht ganz unwichtig sind die Einträge des Luftverkehrs. So sind z.B. die Piloten gehalten, "aus Sicherheitsgründen" Kerosin vor der Landung abzulassen, um die Tanks zu entleeren. Die Verdunstungsverluste beim Betanken der Flugzeuge belaufen sich auf mehrere 100 l leichtflüchtige Kohlenwasserstoffe pro Tag. Die Enteisungsmittel für die Flugzeuge enthalten z.T. Ammoniakverbindungen, die zu einer erheblichen atmosphärischen Belastung führen, da sie aufgesprüht werden. Alle diese Stoffe gelangen je nach Emittent auf kurzem oder langem Wege in den Boden, da sie in der Atmosphäre nicht abgebaut sondern nur verfrachtet werden können. Auch für die ungenehmigte Ablagerung von Abprodukten gab es auf dem Flughafen Tegel ein schlagzeilenträchtiges Beispiel. Ein Angestellter hatte dort Behälter mit überschüssigem Enteisungsmittel einfach vergraben. An dieser Stelle sei auch noch einmal auf die bereits erwähnten Belastungen von Uferfiltrat- und Grundwasseranreicherungsböden durch die Wasserversorgung erinnert. |
Autor: Wolfgang Gossel
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