5.4.2.1.2 Mineralöle 

Seit Ende der sechziger Jahre gibt es Untersuchungen über das Verhalten von Mineralöl in Boden und Grundwasser. Bei jedem größeren Heizöl- oder Kraftstofftanklager, ja sogar bei den meisten Tankstellen treten Kontaminationen des Erdreichs und des Grundwassers mit Mineralölen auf. Die Mineralölprodukte werden nahezu ausschließlich aus Erdöl gewonnen und die wissenschaftlichen Untersuchungen zum Verhalten und zur Zusammensetzung des Erdöls sind für Erdölgeologen seit mehreren Jahrzehnten tägliches Brot. Man sollte daher annehmen, daß der Umgang mit Mineralölkontaminationen zu den Standardsituationen in der Altlastenuntersuchung, Gefährdungsabschätzung und Sanierung zählt. Von der Anzahl der Kontaminationen her trifft dies sicher auch zu. Aber was passiert da wirklich im Boden und im Grundwasser? Bei Mineralölen lassen sich die komplexen Wechselwirkungen der verschiedenen Kompartimente (Boden, Luft, Wasser, Biologie) besonders schön aufzeigen. Mineralöle sind zunächst einmal nur in begrenztem Umfang mit Wasser mischbar (einige µg/l). Daher sollte es eigentlich nur als weitere Phase (neben Wasser und Bodenluft) auf dem Grundwasserspiegel liegen. Die Skizzen hierzu sind weit verbreitet. Im Laufe der Zeit bewegt sich dann diese Ölphase mit dem Grundwasserstrom. Sie verbreitert sich ein wenig, bleibt aber als Phase erhalten und kann daher gut saniert werden. Soweit die Theorie. So weit auch das, was die Öffentlichkeit in der Regel von solchen Schadensfällen erfährt. Die Praxis sieht anders aus. Mineralöle sind ein komplexes Gemisch organischer, unter geogenen Bedingungen entstandener Stoffe. Daß diese Stoffe alle natürlichen Ursprungs sind, ist nur die halbe Wahrheit. Die Stoffe entstanden unter ganz bestimmten Temperatur- und Druckbedingungen in der Erdkruste. Die typischen Gemische Kraftstoffe (Benzin, Diesel, Kerosin), Brennstoffe (Heizöl) und Schmierstoffe enthalten im wesentlichen folgende Komponenten: 

  1. Gesättigte Kohlenwasserstoffe (n-Alkane): Das sind z.T. langkettige Moleküle aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen, deren Kohlenstoffatome über einfache Bindungen miteinander verknüpft sind.
  2. Verzweigte gesättigte Kohlenwasserstoffe (Isoalkane): Die einfach verbundenen Kohlenstoffatome bilden verzweigte Ketten.
  3. Ungesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkene und Alkine): Hier sind die Kohlenstoffatome über Mehrfachbindungen (meist Doppelbindungen) miteinander verknüpft.
  4. Cyclische Kohlenwasserstoffe (Cycloalkane): Die über einfache Bindungen verknüpften Kohlenstoffatome sind hier in einem oder mehreren Ringen angeordnet.
  5. Aromatische Kohlenwasserstoffe (Aromaten): Die Kohlenstoffatome sind in einem Ring angeordnet, wobei jede zweite Bindung im Ring eine Doppelbindung darstellt.
Die Natur kann mit einigen Einzelstoffen dieses Gemischs sehr gut umgehen, mit anderen gar nicht. Und genau das passiert bei einer Kontamination mit Mineralölen, die (wie bei Tankstellen, Tanklagern usw.) über mehrere Jahre andauert und nicht sofort beseitigt wird. Ein Teil der Stoffe ist so leicht flüchtig, daß er auch im Erdreich schlichtweg verdampft. Einige Stoffe werden, bei ausreichendem Nährstoffangebot in Boden und Grundwasser, von Mikroorganismen in relativ kurzer Zeit abgebaut (Gossel & Püttmann 1991). Die am leichtesten abbaubaren Stoffe, die n-Alkane, werden selbst bei großen Kontaminationen oftmals innerhalb weniger Jahre so weit abgebaut, daß man sie bei Analysen kaum noch findet. Andere Stoffe können jedoch weniger gut abgebaut werden, weil ihr Abbau entweder mehr Energieeinsatz der Bakterien erfordern würde oder weil sie schlicht giftig für die Bakterien sind. Einige dieser Stoffe werden nach dem Abbau der n-Alkane mit verringertem Tempo abgebaut, einige werden jedoch nur metabolisiert ("angeknabbert" und anschließend in veränderter Form wieder ausgeschieden). Die Metaboliten werden jedoch bei den Analysen praktisch nicht erfaßt, weil nur wenige von ihnen bekannt sind und nicht im Analysenspektrum ausgewertet werden. Diese Metaboliten sind im Gegensatz zu Mineralöl meist sehr gut wasserlöslich. Die Kontamination bleibt damit nicht auf den Raum oberhalb des Grundwasserspiegels beschränkt, sie erstreckt sich auf den gesamten abstromigen Grundwasserkörper. Im Boden und in der Ölphase auf dem Grundwasser verbleiben nur noch die schlecht oder gar nicht abbaubaren Schadstoffe. Sie sind in der Regel auch die für den Menschen giftigeren. In der Erdölindustrie kannte man diese Form des mikrobiologischen Abbaus bereits seit langem aus Erdölfeldern, die Zufuhr von frischem Grundwasser erhielten. Daher weiß man auch, daß die schlecht abbaubaren Stoffe auch über Jahrtausende nicht abgebaut werden. Doch damit nicht genug: Durch das große Angebot an abbaubaren Stoffen wird meist die Zusammensetzung des Bodensubstrats und auch der anorganische Chemismus des Grundwassers verändert. Den Sauerstoff, den die Mikroorganismen zum Atmen brauchen, bringt das Grundwasser nur in sehr geringen Mengen mit. Die Mikroorganismen veratmen daher auch anorganisches Material wie z.B. Nitrat und Sulfat, aber auch die Eisenoxide des umliegenden Bodensubstrats. Das Eisen wird dadurch besser wasserlöslich und wird mit dem Grundwasser abtransportiert. Der Eintrag leicht abbaubarer organischer Substanzen ins Grundwasser ist ganz erheblich für die hohen Eisengehalte im Berliner Grundwasser und damit im Rohwasser der Wasserwerke verantwortlich. Die meisten leicht abbaubaren organischen Stoffe stammen selbstverständlich nicht aus Mineralölkontaminationen sondern aus Abfällen und Abwasserversickerungen. 

Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sind sehr träge in ihrem Reaktions- und Transportverhalten und meist an die Bodensubstanz (Tone und organische Substrate) gebunden. Die PAK umfassen eine sehr große Stoffgruppe, da zusätzlich zu den verschiedenen Ringstrukturen der Aromaten (Fünf- und Sechsringkombinationen ab zwei Ringen) noch die Stoffe mit verschieden langen Seitenketten an verschiedenen Positionen in den Ringstrukturen hinzukommen. Sie sind z.T. krebserregend und stammen wie die CKW (s. Kapitel 5.4.2.1.4) meist von Altstandorten, aber auch Dieselruß enthält PAK. Besonders Gaswerke, Kokereien und Betriebe, in denen Schmieröle verwendet werden (also Reparaturwerkstätten von Fahrzeugen aller Art, metallverarbeitende Industrie usw.), sind "Fundgruben" für PAK. PAK sind typische Vertreter der schlecht bis nicht abbaubaren Erdölkomponenten. Ihr Abbau unter oxidierenden oder reduzierenden Bedingungen ist heftig umstritten. Insbesondere die Metaboliten sind sehr vielfältig, da die Gruppe der Ausangssubstanzen sehr groß ist. 

Unter dem Kürzel BTEX faßt man monoaromatische Substanzen zusammen (Benzol, Toluol, Xylole und Ethylbenzole). Diese Stoffe sind alle leichtflüchtig, jedoch sind sie im Vergleich zu den Mehrfacharomaten in recht hohem Maße wasserlöslich (einige mg/l). Da sie leichter sind als Wasser, treten sie in Phase über dem Wasserspiegel auf. Ihr mikrobiologischer Abbau ist ebenfalls umstritten. 

 

Autor: Wolfgang Gossel
 
 
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