5.4.2.2 "Neue" Lasten 

Neben den typischen Altlasten ist das Grundwasser ebenso wie der Boden (s. Kapitel 4.2.2) von permanenten Schad- und Nährstoffeinträgen betroffen. Belastungen des Grundwassers resultieren u.a. aus 

  • Schad- und Nährstoffeinträgen aus der Luft (s. Kapitel 4.2.2.2),
  • der "ordnungsgemäßen" Landwirtschaft (s. Kapitel 4.2.2.2),
  • Abwassereintrag aus undichter Kanalisation und Sammelgruben,
  • Unfällen und fahrlässigem Umgang mit wassergefährdenden Stoffen,
  • Schad- und Nährstoffeinträgen über das Oberflächenwasser ins Grundwasser,
  • Austrägen aus dem Boden durch wasserwirtschaftliche Maßnahmen.
Das Ausmaß der resultierenden Belastungen ist qualitativ und quantitativ unterschiedlich. 

  

Abwassereintrag 

Bei der Betrachtung der Stoffeinträge aus dem Abwasser müssen drei Formen des Eintrags unterschieden werden: der Eintrag aus undichten Abwassersammelgruben, der Eintrag über die Abwasserkanäle und die noch immer betriebenen Sickergruben. 

Etwa 1 - 2% der Bevölkerung Berlins sind nicht an die Abwasserkanalisation angeschlossen, im Umland liegt der Anteil wesentlich höher (ca. 10 - 20 %). Hier, wie auch in nahezu allen Kleingärten, wird das Abwasser in Sammelgruben gesammelt und dann per LKW in eine Kläranlage entsorgt - wenn alles dicht ist. Diese Sammelgruben sind aus Altersgründen oder ökonomischen Gründen jedoch oft undicht. Bei geringen Grundwasserflurabständen führt dies dann zu einem Überlaufen der Gruben (die dann in manchen Fällen in den nächsten Graben gepumpt werden), in der Regel versickert jedoch das Abwasser und es kommt zu einer Kontamination des Grundwassers. In Brandenburg gibt es auch noch vereinzelt Sickergruben, aus denen das Wasser nach einer minimalen Vorklärung (3-Kammer Sickergrube) verrieselt wird. Dieses System ist zwar nicht grundsätzlich abzulehnen, es muß jedoch gewährleistet sein, daß das Abwasser nicht mit persistenten (Langzeit-resistenten) Stoffen belastet ist und daß eine aus reichende Denitrifikation und Entphosphatung gewährleistet ist (ausreichende Sickerstrecke, möglicherweise eine Verrieselung im Bereich der Pflanzenwurzeln ausreichende Verrieselungsfläche usw.). 

In Berlin sind etwa 10 - 15% der Kanalisation erneuerungsbedürftig. Daraus kann man abschätzen, daß ca. 10% der anfallenden Abwassermenge aus der Kanalisation in das Grundwasser versickern. Auf der anderen Seite dringt auch (bei Verlegung der Rohrleitungen unter dem Grundwasserspiegel) Grundwasser in die Kanalisation ein und führt zu einer Verdünnung des Abwassers mit den entsprechenden Folgen für die Kläranlagen. 

Die Berliner Wasserbetriebe sind an einer Sanierung der Kanalisation und dem Anschluß aller Haushalte an die Kanalisation schon aus ökonomischen Gründen interessiert und haben hier in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen. Dennoch sind die diffusen Einträge in den Stickstoffgehalten des Berliner Grundwassers spürbar. Sie führen bisher jedoch nur in einigen Wasserwerken (z.B. Friedrichshagen und Kladow) zu Beeinträchtigungen der Trinkwasserqualität. 

  

Unfälle und fahrlässiger Umgang mit wassergefährdenden Stoffen 

Nach Kloos (1986) wurden in den Jahren 1965 bis 1985 etwa 150 Sanierungsmaßnahmen bei Unfällen mit wassergefährdenden Stoffen angeordnet, von denen 50 Fälle mit 100 000,- DM bis 30 Mio DM zu Buche schlugen. Die insbesondere im Urstromtal hohe Gefährdung des Grundwassers, die auf fehlende Deckschichten und geringe Grundwasserflurabstände zurückzuführen ist, führt zu sehr schnellen Einträgen der Schadstoffe ins Grundwasser. Daher ist dort besonders schnelles Handeln notwendig. Allerdings ist schon die Planung in den ausgewiesenen Trinkwasserschutzgebieten unzureichend. So wurden z.B. Zeltplätze und Baden sowie Bootsslipanlagen in Trinkwasserschutzzone II genehmigt oder nicht verboten, in der Schutzzone II des Wasserwerks Wuhlheide mußte die Umweltpolizei wegen des nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Wassergefährdenden Stoffen bei einem Betrieb eingreifen, der den Behörden schon seit Jahren bekannt war. Eine Kontrolle, ob tatsächlich keine LKW mit wassergefährdenden Stoffen durch die Schutzzonen der Wasserwerke fahren, findet nicht statt! Es wurden sogar schon Gülle-LKW beobachtet (und auf ihr rechtswidriges Verhalten hingewiesen!), die in der Wasserschutzzone II des Wasserwerks Eichwalde ihre Fracht von einem LKW in den anderen umpumpten! An die Folgen eines Schlauchrisses mag man gar nicht denken! 

Außerhalb der Trinkwasserschutzgebiete genehmigt selbst die Wasserbehörde offensichtlich Kontaminationen des Grundwassers. Am Potsdamer Platz z.B. wurde der Einsatz von Weichgel genehmigt, obwohl andere Städte vorsichtig genug waren und den Einsatz nicht genehmigten und der BUND eine Klage eingereicht hatte. Bei der Einbringung von Beton wurden dann Kontaminationen mit Aluminium- und Natriumionen sowie organische Verunreinigungen festgestellt. Die Einbringung von Weichgel wurde jedoch wegen des "Vertrauensschutzes", den die Bauherren genießen, auch auf anderen Baustellen nicht gestoppt. Dieses Weichgel emittiert also auch noch in den nächsten Jahren Aluminiumionen ins Grundwasser. 

Der Einsatz von Streusalz wird in Berlin wieder populärer. Waren es zunächst nur Krankenhäuser, die nicht mehr durch entsprechendes Personal und bauliche Maßnahmen an ihren Krankenwagenauffahrten für Schnee- und Eisfreiheit sorgen wollten, so sind es mittlerweile Rathäuser, Speditionen usw., die lieber das Grundwasser kontaminieren und Boden und Biologie (insbesondere Straßenbäume) schädigen möchten und daher Anträge bei der zuständigen Senatsverwaltung stellen als den finanziellen Aufwand von Arbeitskräften, Maschinen usw. zu tragen. 

Darüber hinaus berichten die Zeitungen immer wieder von fahrlässigem Umgang mit wassergefährdenden Stoffen auf Firmengeländen und, oft in Form ungenehmigter Ablagerungen, auf öffentlichem Gelände. 

  

Schad- und Nährstoffeinträge über das Oberflächenwasser ins Grundwasser 

Die hohe Belastung der Oberflächengewässer mit Schad- und Nährstoffen führt auch im Grundwasser zu erhöhten Stoffgehalten. In einem natürlichen System findet eine Versickerung von Oberflächenwasser ins Grundwasser nur verhältnismäßig selten statt. Sommer -v. Jarmerstedt (1992) wies jedoch für weite Teile des Havelufers erhöhte Stoffeinträge aus dem Oberflächenwasser in das Grundwasser nach. Grund für diese "Kontaminationen" sind die ausgedehnten Brunnengalerien der Berliner Wasserbetriebe, über die Uferfiltrat der Havel gewonnen wird. Sommer -v. Jarmerstedt (1992) wies den Eintrag von Stoffen sogar landseitig der Brunnen nach, was durch die geologischen Verhältnisse begründet ist (Fenster in Geschiebemergeln, die landseitig der Brunnen liegen). Uferfiltration wird jedoch nicht nur an der Havel sondern auch an Spree, Tegeler See und sogar am Teltowkanal (Wasserwerk Johannisthal) betrieben. Aus Uferfiltrat wird mehr als die Hälfte des Berliner Trinkwassers gewonnen. Es ist davon auszugehen, daß weite Teile der Gewässerufer und des Grundwassers zwischen den Gewässern und den Fassungsanlagen erhöhte Schad- und Nährstoffgehalte aufweisen. 

  

Austräge aus dem Boden durch wasserwirtschaftliche Maßnahmen 

Grundwasserabsenkungen durch Wasserwerke führen insbesondere in ehemaligen Feuchtgebieten mit Torfen zu einer Degradation der organischen Substanz und zu einem Austrag von Huminsäuren und Stickstoffverbindungen. Über das Ausmaß des Stoffaustrags wurden in Berlin leider bisher keine Untersuchungen durchgeführt. 

 

Autor: Wolfgang Gossel
 
 
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