5.2.6 Grundwasserganglinien 

Grundwasserganglinien bezeichnen die Höhenlage des Grundwasserspiegels in [mNN] an einer Grundwassermeßstelle in Abhängigkeit von der Zeit. Grundwasserganglinien geben somit Auskunft über den innerjährlichen Gang des Grundwasserspiegels mit seiner jahreszeitlichen Schwankungsbreite und, im Idealfall, über die Veränderung des mittleren Grundwasserspiegels über mehrere Jahrzehnte. 

In Kloos (1986) findet sich eine Darstellung der langjährigen Grundwasserganglinie für eine einzelne, unter bestimmten Gesichtspunkten (Korrelation der Grundwasserstände mit der wirtschaftlichen Entwicklung Berlins) ausgewählte Grundwassermeßstelle im Berzirk Tiergarten. Diese Meßstelle kann natürlich nicht als repräsentativ für die Entwicklung der Grundwasserstände Berlins angenommen werden, noch dazu, weil sie zwischen Landwehrkanal und Spree liegt und damit nur durch Baumaßnahmen in der näheren Umgebung beeinflußt wird. Weitere Darstellungen in Kloos (1986) geben die Abweichung der Grundwasserstände (Jahresmittel) in repräsentativ zusammengefaßten Gebieten West-Berlins wieder. Hier sieht man sehr deutlich, daß lediglich in den nicht durch die öffentliche Wasserversorgung genutzten Gebieten ein Grundwasseranstieg in den Jahren 1965 bis 1984 zu verzeichnen ist. Absenkungen sind insbesondere in Tegel (Absenkung ca. 75 cm), Spandau (Absenkung ca. 125 cm), Grunewald (Absenkung ca. 75 cm), Kladow (Absenkung ca. 100 cm) und Jungfernheide (Absenkung ca. 150 cm) zu erkennen. Für den gesamten Westteil der Stadt ergeben sich dadurch bis zum Beginn der 90´er Jahre tendenziell sinkende Grundwasserstände. 

Bei der Analyse der Grundwasserganglinien muß berücksichtigt werden, daß meist nur die letzten 20 oder 30 Jahre betrachtet werden. Die zuvor erfolgten, teilweise noch größeren Absenkungen werden somit systematisch nicht erfaßt. In Platen (1990) sind langjährige Grundwasserganglinien einiger, aus Naturschutzgründen besonders interessanter Gebiete dargestellt. Bei den in dieser Arbeit betrachteten Gebieten (Teufelsbruch, Großer Rohrpfuhl, Barssee und Pechsee) fällt zunächst auf, daß die Grundwasserstände gegenüber den 30er bzw. 50er Jahren dieses Jahrhunderts gesunken sind (Bars- und Pechsee ca. 5,70 m, Großer Rohrpfuhl bis 1985 ca. 1 m, Teufelsbruch bis 1985 ca. 0,8 m). Ende der 80er Jahre wurde im Spandauer Forst in den betroffenen Gebieten mit einer künstlichen Grundwasseranreicherung begonnen, so daß die "Grundwasser"stände an den aufgeführten Pegeln wieder um ca. 0,5 m anstiegen. 

Seit 1993 erholen sich die Grundwasserstände langsam wieder. Dies ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen: 

  • Die Jahre vorher - 1988/89, 1989/90 und 1991/92 - waren sehr trockene Jahre, was an der klimatischen Wasserbilanz deutlich wird (s. Kapitel 3.2.4).
  • Die Grundwasserentnahmen für die öffentliche Wasserversorgung und ganz besonders die Eigenwasserförderungen der Betriebe im Ostteil der Stadt ist nach der politischen Wende drastisch gesunken.
  • Durch Schadstoffeinträge aus Altlasten konnte in einigen Wasserwerken nicht mehr soviel Grundwasser für die Wasserversorgung gefördert werden (z.B. Johannisthal). Hier fand eine Verlagerung der Förderung auf andere Wasserwerke (z.B. Friedrichshagen) statt.
Neben der langjährigen Entwicklung der Grundwasserstände müssen auch die anthropogenen Einflüsse auf den innerjährlichen Gang aufgezeigt werden. Hierzu gibt es nur wenige Untersuchungen. Zwar hat Bütow (1976) eine Untersuchung von Grundwasserganglinien durchgeführt. Die Beschränkung auf die Prozesse der natürlichen Grundwasserneubildung aus Niederschlägen führte jedoch zu einer räumlich sehr begrenzten Aussage über die Auswirkungen der Grundwasserentnahmen. 

Eine Art "natürliche" Schwankung läßt sich für den gesamten Berliner Raum zunächst nicht angeben. Einen ersten Anhaltspunkt bieten jedoch die Darstellungen in Koehne (1922). Die in Abbildung 27 wiedergegebenen Grundwasserganglinien der Jahre 1917 bis 1921 aus dem Grunewald zeigen deutlich die geringen Grundwasserschwankungen von etwa 20 cm im Jahresgang. Auffällig ist jedoch das starke Absinken der Grundwasserstände im Jahre 1919. Abbildung 27 macht die Gründe hierfür im Vergleich mit der kumulierten klimatischen Wasserbilanz deutlich. Geringe Niederschlagsmengen im Januar und Februar 1919 führten dazu, daß der Anstieg der Grundwasserganglinie ausblieb. Der nachfolgende Sommer begann schon im Mai mit einer hohen Verdunstung und die Monatsniederschläge waren bei einer hohen Verdunstung in den Sommermonaten gering. Hohe Niederschläge im Winter 1919/20 führten dann zu einer Erholung der Grundwasserstände. 

Im Urstromtal zeigen neue Untersuchungen von Gossel et al. (1996), daß die Amplitude bei 20 bis 30 cm im Jahr liegt. Nach Bütow (1976) gilt diese Größenordnung auch auf dem Teltow. 

Die ausschließlich am Bedarf ausgerichtete Förderung von Grundwasser durch die Wasserwerke führt zu starken Grundwasserstandsschwankungen. Aus dem Grunewald sind Amplituden von mehreren Metern innerhalb von Stunden bekannt (Sommer - v. Jarmersted 1992). Diese wurden allerdings in gespannten Grundwasserleitern festgestellt, die gegenüber einer Entnahme wegen der sehr geringen Speicherkoeffizienten sehr empfindlich reagieren. Doch die Auswertung der Grundwasserganglinien von Platen (1990) zeigt die Zunahme der Amplitude auch für den ungespannten obersten Grundwasserleiter. Die Folgen sind gerade für die Feuchtgebiete mit geringen Grundwasserflurabständen groß. Wurden sie im "natürlichen" Regime im Sommer durch die aus ihrem Einzugsgebiet zufließenden Grundwassermengen gespeist, so werden sie jetzt im Sommer durch die erhöhte Entnahme zusätzlich ausgetrocknet. Bei der künstlichen Grundwasseranreicherung für das Wasserwerk Spandau kommt noch hinzu, daß man aufgrund der geringen Wasserführung der Havel im Sommer weniger Grundwasser "anreichern" kann und daher im Winter den entleerten Speicher wieder besonders voll machen will. Im Mittel ergibt sich daraus zwar in einigen kleinen Teilen des Spandauer Forstes eine kleine Anhebung des Grundwasserspiegels, die Vergrößerung der Schwankungsamplitude hat jedoch große Konsequenzen für die Vegetation, da sie im Sommer das benötigte Wasser nicht bekommt und im Winter "mit den Füßen im Wasser" steht. 
 
 
 

 

Abbildung 27: Grundwasserstand am Nordende der Krummen Lanke, Oberflächenwasserstand des Grunewaldsees und Grundwasserstand eines tiefen Beobachtungsrohres mitten im Grunewald (aus Koehne 1922). Zum Vergleich die kumulierte klimatische Wasserbilanz desselben Zeitraums  

  

Über die Entwicklung der Grundwasserstände im Ostteil der Stadt und im Umland vor der politischen Wende kann nur sehr wenig gesagt werden. In IFW (1977-88) sind in Berlin lediglich die Meßstellen "Berlin-Mahlsdorf", "Berlin Köpenick" und "Berlin, Palisadenstr." aufgeführt. Von diesen drei Meßstellen ist eine (Mahlsdorf) über mehrere Jahre hinweg ausgefallen. Aus einigen Gutachten geht hervor, daß insbesondere in der Umgebung der Rieselfelder eine Absenkung der Grundwasserspiegel nach der Einstellung des Rieselbetriebs stattgefunden hat. Mitte der 80´er Jahre bis 1992 führt eine starke Steigerung der Grundwasserentnahme des Wasserwerks Friedrichshagen zu großräumigen Grundwasserabsenkungen im Stadtbezirk Köpenick. Eine Aussage zur Problematik sinkender Grundwasserstände durch die Einstellung des Rieselfeldbetriebs ist uns aber z.Z. für ganz Berlin nicht möglich. Dasselbe gilt im Prinzip auch für das Umland von Berlin. Nach mündlichen Mitteilungen soll jedoch insbesondere im Süden der Stadt eine starke Absenkung der Grundwasserspiegel einige Feuchtgebiete existentiell bedrohen. Die derzeitige Informationspolitik der Verwaltungen verschärft das Problem der schlechten Datenlage noch. Durch die Einstellung der Veröffentlichung des Gewässerkundlichen Jahresberichts geht eine wichtige Informationsquelle verloren. 

Die Bedeutung der Veröffentlichung von Grundwasserstandsdaten wird in einem der letzten Gewässerkundlichen Jahresberichte noch einmal deutlich. Im Nordosten Berlins (Falkenberg, Hohenschönhausen) sind in den Jahren 1989 bis 1991 Grundwasserabsenkungen von mehreren Metern dokumentiert. Diese Grundwasserabsenkungen haben drei mögliche Ursachen: 

  • Die Einstellung des Rieselfeldbetriebs Mitte der achtziger Jahre.
  • Hohe Grundwasserentnahmen im Zuge der Baumaßnahmen in der Friedrichstraße. Durch die geringen Speicherkoeffizienten (gespannter Aquifer) wirken sich die Wasserentnahmen von über 10 Mio m3/a auch auf der Hochfläche des Barnim aus.
  • Die zusätzliche Versiegelung und Regenwasserableitung in den Ortsteilen Hohenschönhausen, Wartenberg und Falkenberg verringert die Grundwasserneubildungsrate erheblich.
Auswirkungen des trockenen Klimas tragen sicher zusätzlich zu dem beobachteten Absinken der Wasserstände bei. Wie die relativ konstanten Grundwasserstände im Bereich des Teltow zeigen, kann dies jedoch nicht die wesentliche Ursache sein. 

Die derzeitige Praxis einer Veröffentlichung der Wasserstände von 3 "repräsentativen" Grundwassermeßstellen in vierteljährlichem Abstand ist für den BUND Berlin nicht akzeptabel. 

 

Autor: Wolfgang Gossel
 
 
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