4.2 Die Belastung der Berliner Böden heute 

4.2.1 Verschobenes und zertretenes Fundament 

4.2.1.1 Versiegelung 

Der Boden bildet heute nur noch das Fundament der Stadt, er ist zum Baugrund und damit zur Fläche degradiert. Baugrund für Straßen, Häuser, Parkplätze, Gewerbe, Industriegebäude und vieles mehr. Sicher hat er in den letzten Jahrhunderten mehr erlebt als heute, doch einige Formen des Eingriffs sind schwerwiegender geworden. Die gewichtigste Rolle spielt die Versiegelung. Ein Siegel ist zwar zunächst etwas gutes, weil es den darunter liegenden Inhalt schützt, doch für den Boden bedeutet Versiegelung in erster Linie den Verlust des Oberbodens auf der Fläche und die Verhinderung des Stoffaustausches mit der Atmosphäre und den tiefer gelegenen Gesteinsschichten. Die Versiegelung der Stadt hat dramatische Ausmaße angenommen. Schaut man sich Karten der Jahrhundertwende an, so werden die Dimensionen erst richtig deutlich. Die Zahl der Menschen ist lange nicht so rasant gestiegen wie ihr Flächenbedarf. AGU (1993) weist zwar "nur" eine zusätzliche Versiegelung von etwa 115 ha/a in Berlin (West) aus (ca. 230 Fußballfelder in jedem Jahr!), in den letzten hundert Jahren ist die Versiegelung jedoch von etwa 4000 bis 5000 ha auf 27500 ha angestiegen. Das entspricht einer Steigerung von etwa 230 ha/a (˜ 450 Fußballfelder jedes Jahr, das FEZ Wuhlheide ist mit 114 ha nur halb so groß!). In derselben Zeit wuchs die Bevölkerung von ca. 2 Mio. Einwohner auf ca. 3,4 Mio. Einwohner. Je Einwohner wird also heute etwa dreimal soviel versiegelte Fläche wie vor hundert Jahren gebraucht. Grund ist weniger ein gestiegener Wohnraumbedarf (auch der ist nachweisbar) sondern ein erheblich gestiegener Flächenbedarf für Straßen und sonstige Infrastruktur. Die Karte im Umweltatlas (SenSUT 1997) weist die prozentuale Versiegelung innerhalb der Stadt aus. 

Im Berliner Umland wird die Versiegelung seit der "Wende" stark beschleunigt. Einerseits entstehen hier riesige Einkaufszentren, für die eine vernünftige Regenwasserentsorgung nicht mehr gewährleistet werden kann, zum anderen werden bevorzugt im "Speckgürtel" neue Wohnungen "auf der grünen Wiese" gebaut. Auch hierbei wird selbstverständlich der Boden zerstört, die Fläche sowohl durch die Häuser selbst als auch durch die entstehende Infrastruktur versiegelt. Daten hierzu liegen leider nicht vor. 

Die vorgeschriebene Sicherung des "Mutterbodens" (Ah-Horizont) bei einer Baumaßnahme nützt dem Boden nur wenig, da die Struktur des Bodens zerstört wird und er meist auch nicht an derselben Stelle eingebaut werden kann, von der er entfernt wurde. 

 

Autor: Wolfgang Gossel
 
 
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