3.2.1.2 Zeitliche Verteilung
Neben der räumlichen Verteilung der Niederschläge ist die zeitliche Variation dieser wichtigen Wasserquelle Berlins von Bedeutung, d.h. die Auswertung einer möglichst langen Zeitreihe. Wir wollen zusätzlich zur Darstellung der Niederschlagsdaten den Versuch wagen, sie mit Hilfe statistischer Methoden darzustellen und damit etwas über die Entwicklung in den vergangenen fast 150 Jahren auszusagen. Für prognostische Aussagen sind die statistischen Auswertungen jedoch eine sehr schwache Grundlage. Schließlich sind hierbei keine naturwissenschaftlichen Zusammenhänge implementiert, sondern sie stellen lediglich eine summarische Zusammenfassung aller, in der Natur ablaufenden und das klimatische Geschehen beeinflussenden Größen dar. Wir können uns jedoch trösten: deterministische Modellierungen des Klimas sind bisher für das Klima auf regionaler Ebene (einige 100 km2) nicht möglich. Daher bedient sich selbst das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) für Prognoserechnungen statistischer Methoden. Der Niederschlag wird in Berlin etwa seit Mitte des letzten Jahrhunderts regelmäßig gemessen (s.o.). Dies hört sich zwar einfach an, ist aber offensichtlich doch mit einigen Schwierigkeiten behaftet. Zunächst bestand das zugegebenermaßen kleinere Problem der Einheiten, in denen der Niederschlag gemessen wird: Heute sind es Millimeter, damals waren es die sog "Pariser Linien" (1 Pariser Linie = 2,25583 mm). Weitere Probleme sind die Verlegung von Niederschlagsstationen, das Meßverfahren an sich, die Normierung der Niederschlagsmeßgeräte und die Höhe, in der gemessen wurde. Bei der Auswertung früherer Niederschlagsreihen sind diese Ungenauigkeiten zu berücksichtigen. Wie in Kapitel 3.2.1.1 gezeigt, ist es keineswegs bedeutungslos, ob man in Berlin-Dahlem, am Alexanderplatz oder in Berlin-Buch mißt. Die von uns ausgewertete Niederschlagsreihe mußte aus den Reihen mehrerer Stationen zusammengesetzt werden, was sicherlich nicht ganz einwandfrei ist, aber toleriert werden kann. In "unserer" Niederschlagsreihe wurden folgende Stationen berücksichtigt: 1851 - 1908 Berlin-Innenstadt 1909 - 1996 Berlin Dahlem Erfaßt wurden zunächst die Monatssummen der Niederschläge und ab 1992 auch die Tagessummen. Heute sind für hydrologische und technische Zwecke (z.B. die Bemessung von Regenwasserrückhaltebecken, Versickerungsanlagen, Regenwasserkanälen usw.) zeitliche Auflösungen bis zu 5-Minuten Werten notwendig geworden. Da der BUND nicht über eigene Datenquellen verfügt, ist er auf Veröffentlichungen angewiesen. Gutachten des DWD (Deutscher Wetterdienst) sind für uns unerschwinglich teuer. In Veröffentlichungen werden i.d.R. die täglichen Niederschlagssummen angegeben, das Meteorologische Institut der FU gibt in seiner täglichen Wetterkarte auch 3-stündige Werte an. Für die hier vorgenommenen Wasserhaushaltsbetrachtungen reichen die täglichen Niederschläge aus, bei den Langzeitbetrachtungen können aufgrund der Datenmengen nur Monatssummen oder Jahressummen berücksichtigt werden. Die folgende Tabelle 2 gibt die Zeiträume und die zeitliche Auflösung der von uns betrachteten Daten wieder. Tabelle 2: Zeiträume und zeitliche Auflösung der meteorologischen Daten
Abbildung 4 zeigt die Jahressummen der Niederschläge. Tabelle 3 gibt die statistischen Standardgrößen dieser Reihe wieder. Tabelle 3: Statistische Standardgrößen der Niederschläge
im Zeitraum 1851 - 1996 (in mm)
Schon diese Werte machen die enorme Schwankungsbreite der Jahresniederschläge
deutlich: In manchen Jahren fällt doppelt soviel Niederschlag wie
in anderen Jahren.
Für den Wasserhaushalt (Niederschläge und in weiteren Kapiteln auch Temperatur, Verdunstung und klimatische Wasserbilanz) wollten wir jedoch noch zwei zusätzliche Fragestellungen untersuchen:
Bei den Jahressummen der Niederschläge läßt sich ein Trend berechnen (s. Abbildung 4). Er zeigt zwar einen geringfügigen Anstieg der Niederschläge, der jedoch nicht signifikant ist. Als Signifikanzgrenze wird in der Hydrologie allgemein das 95% Vertrauensintervall angesehen, was im Umkehrschluß bedeutet, daß die Wahrscheinlichkeit für einen Irrtum bei dieser prognostischen Aussage 5% beträgt. Diese Signifikanzgrenze soll auch hier übernommen werden. Und genau in diesem Sinne ist der ermittelte Trend nicht signifikant. Anders sieht es mit einer periodischen Schwankung der Jahressummen der Niederschläge aus. Abbildung 5 zeigt das Periodogramm der untersuchten Zeitreihe. Der gegen die Periode aufgetragene Korrelationskoeffizient ist wie beim Trend ein Maß für die Übereinstimmung zwischen Meßdaten und mathematisch berechneter Datenreihe. Zusätzlich ist die 95% Signifikanzgrenze eingetragen. Liegen die Korrelationskoeffizienten über der Signifikanzgrenze, so ist (wie beim Trend) eine Übereinstimmung von Meß- und Rechendaten sehr wahrscheinlich.
Abbildung 5: Periodogramm der Jahresniederschläge 1851 - 1996.
Die Abbildung 5 macht deutlich, daß für eine Periode von 4 und von 8 Jahren signifikante Korrelationen bestehen, d.h. alle 4 Jahre haben wir ein Maximum der Niederschläge zu erwarten und zwei Jahre später ein Minimum. Die Amplitude, d.h. die Differenz zwischen maximalen und minimalen Niederschlagssummen der berechneten Werte beträgt 186 mm/a. Das letzte Maximum war im Jahr 1994, im Jahr 1996 war dementsprechend das letzte Minimum zu verzeichnen. Die Mittelwerte, Maxima und Minima sowie die Standardabweichung der
Niederschlagssummen für das Sommer- (1.5. - 31.10. jedes Jahres) und
das Winterhalbjahr (1.11. - 30.4. jedes Jahres) sind in Tabelle 3
angegeben. Gerstengarbe & Werner (1996) führen bei ihrer Auswertung
den in Abbildung 6 gezeigten Trend für
die Sommer- und Winterhalbjahre an. Sie werteten hierfür die gleitenden
11-jährigen Mittelwerte der Station Potsdam aus. Die Meßwerte
der Station Dahlem zeigen keine signifikanten Trends für die Halbjahre.
Bei den Sommerniederschlägen ist dieser Trend leicht abwärts
gerichtet, bei den Winterniederschlägen dagegen stärker aufwärts
(ca. 0,2 mm/a) Wie bei den Meßwerten der Jahresniederschläge
gibt es jedoch auch bei den Sommermonaten eine signifikante 4-jährige
Periode (s. Abbildung 7). Diese Periode der Sommerniederschläge
ist offensichtlich so dominant, daß sie sich auf die Jahresniederschläge
"durchpaust". Die 10-jährige Periode der Winterniederschläge
(s.) ist demgegenüber so schwach ausgeprägt, daß sie nur
einen geringen Einfluß auf die Korrelationskoeffizienten der Perioden
der Jahresniederschläge hat. Die 24-jährige Periode der Winter-
und Sommermonate ist so gegeneinander verschoben (Phasenverschiebung),
daß sich die Maxima und Minima im jeweiligen Jahr auslöschen.
Dies ist auch bei den 38- bzw. 40-jährigen Perioden der Fall.
Abbildung 7: Periodogramm der Sommer- und Winterniederschläge von 1851 - 1996.
Der innerjährliche Gang der Niederschlagsverteilung wird am besten an den Monatswerten deutlich. In Abbildung 8 sind die Mittelwerte, Maxima und Minima der Monate (Januar bis Dezember) für den Zeitraum 1851 bis 1996 dargestellt. Die Maxima in den Sommermonaten Juni, Juli und August und, kleiner, in den Wintermonaten November und Dezember sind ebenso gut zu erkennen wie die dazwischenliegenden Minima (September/Oktober und Februar/März/April). Im Verlauf der nahezu 150-jährigen Reihe kam es praktisch in jedem Monat zu einem Minimum unter 10 mm. Bei den Maxima heben sich die Sommermonate Juni, Juli, August wiederum stark von den übrigen Monaten ab. Dies ist insbesondere auf schwere (Früh-)Sommergewitter zurückzuführen. Der scheinbare, leicht aufwärts gerichtete Trend der Sommerniederschläge ist wiederum nicht signifikant. Im Periodogramm (s. Abbildung 9) macht sich die Verteilung der Mittelwerte über das Jahr deutlich bemerkbar. Sowohl die jährliche als auch die halbjährliche Periode treten durch weit über der Signifikanzgrenze liegende Werte des Korrelationskoeffizienten hervor. Die Amplitude der berechneten Jahresschwingung beträgt etwa 60 mm.
Abbildung 8: Maximum, Minimum und Mittelwert der Monatsniederschläge 1851 - 1996.
Abbildung 9: Periodogramm der Monatsniederschläge 1851 - 1996. Abbildung 10 zeigt die Tagesniederschläge im Zeitraum 1.1.1992 bis 31.10.1996. An einzelnen Tagen können im Sommer über 50 mm Niederschlag fallen. Allein am 3.5.96 fielen 50,3 mm Niederschlag (fast 10% des Jahresniederschlags). Im Frühsommer und Sommer 1994 kam es fünfmal zu Tagesniederschlägen von etwa 30 mm.
Abbildung 10: Tagesniederschläge 1.1.1992 - 31.10.1996
Diese hohen Tagesniederschläge haben die entsprechenden Auswirkungen auf Fauna und Gewässer, aber auch auf die technische Infrastruktur der Abwasserentsorgung: Es kommt oft nach längeren Perioden der Trockenheit zu diesen Starkniederschlägen, die dann Kanäle zum Überlaufen bringen und die Notauslässe der Kanalisation aktivieren. Das Regenwasser fließt dann mit reichlich Schmutzfracht beladen direkt in Havel, Spree und in die Kanäle, wodurch es zu starker Sauerstoffzehrung und anschließend häufig zu einem größeren Fischsterben kommt. Die eher lang anhaltenden und weniger heftigen Winterniederschläge können dagegen von den Gewässern meist besser bewältigt werden. Ein Trend ist auch bei den Tagesniederschlägen dieses kurzen Zeitraums nicht signifikant. Das Periodogramm (Abbildung 11) zeigt zahlreiche Spitzen über der Signifikanzgrenze. Da die statistische Analyse jedoch keine Aussagen über die Ursachen dieser kurzen Perioden zuläßt, kann man hier nur spekulieren. Sicher spielt hier die durchschnittliche Dauer des Durchzugs eines Tiefdruckgebiets und der Wechsel von Hoch- und Tiefdruckgebieten eine Rolle (6-Tage-Periode). Auch eine jahreszeitliche Periode von 90 Tagen ist deutlich zu erkennen. An dieser Stelle wird der Forschungsbedarf in diesem Bereich deutlich.
Abbildung 11: Periodogramm der Tagesniederschläge 1992 - 1996.
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Autoren: Ursula Chowanietz und Wolfgang Gossel
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