5.3.2.3 Gesamte Grundwasserneubildung des Berliner Grundwassereinzugs-gebiets 

Die Grundwasserneubildung aus den Niederschlägen des Untersuchungsgebiets läßt sich damit grob abschätzen. Als Summe der Grundwasserneubildungen der einzelnen Flächen ergibt sich ein Wert zwischen 190 und 200 Mio m3/a. Dieser Wert beinhaltet nicht die Wasserbilanz der Oberflächengewässer, die Grundwasserneubildung aus Uferfiltrat und auch nicht die Grundwasseranreicherung, so daß dieser Wert nicht mit dem Grundwasserdargebot der Wasserwerke verglichen werden kann. 

Der angegebene Genauigkeitsbereich mag zunächst recht groß erscheinen. Die unterschiedlichen Literaturangaben, die jeweils an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Jahren ermittelt wurden, zeigen jedoch die großen Schwierigkeiten, die es mit dem Parameter Grundwasserneubildung gibt. In Anbetracht der Vielfalt der Versiegelungsstrukturen, des Bodenaufbaus, der Geologie, der Grundwasserflurabstände, des Pflanzenbewuchses und der technischen Infrastruktur bei der Be- und Entwässerung der Flächen in Berlin kann der angegebene Wert nur als grobe Richtschnur angesehen werden. Einige Besonderheiten des Berliner Raums sollen dies noch einmal verdeutlichen. 

  • Der Tiergarten wird im Sommer mit einer etwa der gesamten jährlich fallenden Niederschlagsmenge beregnet. Das Wasser hierzu stammt weitgehend aus dem Landwehrkanal. In vielen Grünanlagen sieht es nicht anders aus.
  • Moderne Sportplätze werden durch Kunststoffabdeckungen (Tartanbahnen usw.) nahezu vollständig versiegelt.
  • Straßen werden zunehmend mit Asphalt gedeckt; Kopfstein- oder Feldsteinpflaster werden kaum noch verwendet.
  • Erhöhte Grundwasserneubildungsraten aufgrund von Versickerungen aus Trinkwasserleitungen und Abwasserrohren wurden nur sehr pauschal berücksichtigt. Die systematische Abdichtung gerade in den östlichen Teilen der Stadt kann in keiner Weise quantifiziert werden.
  • Die Rieselfeldwirtschaft wurde wegen der Einstellung Mitte der achtziger Jahre in diesem Kapitel nicht weiter berücksichtigt. Bei einer zeitlich differenzierteren Untersuchung sind jedoch die dadurch bedingten Grundwasserneubildungsmengen zu berücksichtigen.
Diese Reihe ließe sich noch weiter fortsetzen. Allein für die räumliche Varianz müßte die Amplitude der Grundwasserneubildungsmenge auf etwa 150 bis 250 Mio. m3/a geschätzt werden. 

Die Schwankungsbreite der klimatischen Wasserbilanzen, die zwischen -300 mm/a und +150 mm/a differieren (s. Kapitel 3.2.4), macht deutlich, daß es neben der räumlichen Varianz der Grundwasserneubildungsraten auch eine zeitliche Varianz gibt. Rakei (1991) ermittelte in Feldversuchen im Grunewald für die Wasserhaushaltsjahre 1987/88 (feuchtes Jahr) und 1988/89 (trockenes Jahr) Sickerwassermengen von 175 mm bzw. 27 mm/a. Beide Jahre bilden jedoch keineswegs die klimatischen Extreme, so daß insgesamt die Spannweite noch größer ist. Für das gesamte Berliner Einzugsgebiet läßt sich daraus schließen, daß die klimatisch bedingte Schwankungsbreite der Grundwasserneubildung aus den Niederschlägen durchaus zwischen 50 bis 100 Mio. m3/a in trockenen Jahren und 300 bis 400 Mio. m3/a in feuchten Jahren liegen kann. 

Diese Schwankungsbreite wiederum hat Konsequenzen für einige Teile der technischen Infrastruktur der Wasserver- und Abwasserentsorgung in Berlin, die mit der Grundwasserneubildung rückgekoppelt sind. 

  • In nassen Jahren wird bei weitem nicht soviel Wasser für die Bewässerung der Grünflächen benötigt wie in trockenen Jahren.
  • Das Schichtenwasser tritt insbesondere in den feuchten Jahren auf.
  • In Zeiten hoher Wasserstände in den Oberflächengewässern, die auf hohe Regenwassereinleitungen zurückzuführen sind, treten, bedingt durch den Austausch zwischen Oberflächen- und Grundwasser, auch erhöhte Grundwasserstände auf. Dies betrifft weniger die stauregulierten Flüsse Spree und Havel als vielmehr Tegeler Fließ, Panke, Wuhle Erpe usw..
Die Komplexität des Parameters Grundwasserneubildung führt so insgesamt leicht zu dem Eindruck einer "Beliebigkeit" einer Zahlenangabe. Tatsächlich können brauchbare Zahlen bisher in dem betrachteten Raum von 2000 km2 und der betrachteten Zeitspanne nur für mittlere Zustände angegeben werden. Bei einer Berücksichtigung von räumlich und zeitlich genauer eingegrenzten Umwelteinflüssen sind jedoch detailliertere Aussagen möglich.
 

Autor: Wolfgang Gossel
 
 
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