3.2.3.2 Potentielle Evapotranspiration 

Der Begriff "potentielle Evapotranspiration" (ETP) suggeriert, daß es sich dabei um die maximal auftretende Verdunstung handelt. In der Praxis zeigt sich jedoch, daß abhängig von der Landnutzung durchaus höhere Wassermengen verdunstet werden können, z.B. in einem Pappelwald mit geringen Grundwasserflurabständen o.ä.. Auch die Verdunstung einer freien Wasseroberfläche liegt höher, von einem Schilfbestand ganz zu schweigen. 

Die potentielle Evapotranspiration wird aus einer Reihe von meteorologischen Größen errechnet. Da im Laufe der Zeit immer differenziertere theoretische Grundlagen über den Einfluß verschiedener Meßgrößen erarbeitet wurden, nahm die Zahl der zu berücksichtigenden Parameter zu. Demgegenüber stehen fehlende Beobachtungen dieser Parameter an den Klimastationen des letzten Jahrhunderts. Einige Beispiele: 

  • Die Berechnung der potentiellen Evapotranspiration nach Thornthwaite & Mather (1957) berücksichtigt eigentlich nur die Temperatur als Eingangsparameter. Die Einflüsse von Strahlungsbilanzen, Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit werden bei der Berechnung über die geographische Lage des betrachteten Gebiets abgeschätzt oder sie werden durch empirische Faktoren berücksichtigt. Die Formel nach Haude (1955) berücksichtigt zusätzlich das (über die relative Luftfeuchtigkeit) gemessene Wassersättigungsdefizit der Luft. Turc (1961) bezieht zusätzlich die Strahlungsbilanz mit ein. Dies kann über die gemessene Globalstrahlung oder, durch zusätzliche vereinfachende Berechnungen, über die gemessene Sonnenscheindauer geschehen. Penman (1956) verwendet über die Meßgrößen für das Turc-Verfahren hinaus auch noch die Windgeschwindigkeit.
  • Dem stehen die in Berlin tatsächlich gemessenen Daten gegenüber: Temperaturen werden seit fast 300 Jahren gemessen, die Globalstrahlung dagegen erst seit Anfang des Jahrhunderts.
Die Zeitreihen der Meßdaten bestimmen somit wesentlich die Auswahl der Rechenverfahren. Zudem hat sich bei den Wasserhaushaltsuntersuchungen (z.B. durch Lysimetermessungen) in den neuen Bundesländern gezeigt, daß im Gegensatz zu den alten Bundesländern die Formel nach Turc bessere Resultate liefert als die nach Haude. Dies ist möglicherweise auf das mehr kontinental geprägte Klima östlich der Elbe zurückzuführen. Für unsere Berechnungen haben wir aufgrund der Datenlage eine Zweiteilung vornehmen müssen: 
  1. 1851 - 1908: Verdunstungsberechnung nach Thornthwaite & Mather (1957) anhand der Daten der Klimastation Berlin-Mitte.
  2. 1909 - 1996: Verdunstungsberechnung nach Turc (1961) anhand der Temperaturdaten der Klimastation Dahlem (FU Berlin).Da dieses Berechnungsverfahren unter 5°C ungenaue Werte liefert, wurde hier eine Modifikation des Verfahrens nach der Formel von Ivanov (1963) vorgenommen. Entsprechend DVWK (1995) wurden die Ergebnisse über einen Faktor an die Ergebnisse nach Penman (1948) angeglichen.
Für den Zeitraum von 1909 bis 1930 wurden die Monatswerte beider Reihen verglichen. Abbildung 15 zeigt, daß eine sehr enge Korrelation vorliegt. Die Werte nach Turc (1961) liegen dabei etwa 8,7 mm/Monat über denen nach Thornthwaite & Mather (1957). 
 
 
 
 

Abbildung 15: Korrelation zwischen der potentiellen Evapotranspiration nach Turc (1961) bzw. nach Thornthwaite & Mather (1957). 

  

Die jährliche Verdunstung für den Zeitraum 1851 bis 1996 ist in Abbildung 16 dargestellt. Tabelle 5 gibt die statistischen Standardgrößen dieser Reihe wieder. 

Tabelle 5: Statistische Standardgrößen der potentiellen Verdunstung 

  

 

Im Vergleich mit Tabelle 3 ist ersichtlich, daß 

  1. die mittlere jährliche potentielle Evapotranspiration höher liegt als der mittlere Jahresniederschlag von 590 mm und
  2. die jährliche potentielle Evapotranspiration in weitaus engeren Grenzen schwankt als die jährlichen Niederschläge.
Dem scheinbaren positiven Trend der potentiellen Evapotranspiration fehlt sowohl bei der Jahresreihe als auch bei der Monatsreihe die Signifikanz. 

Bei der Periodizitätsanalyse der Jahressummen fallen die 3-, 6-, 11-, 14- und 18-jährige Periode auf (s. Abbildung 17). Ihre Amplituden liegen bei etwa 10 mm. Die 14-jährige Periode ist schon bei den Temperaturen aufgefallen. 11- und 14-jährige Periode passen in etwa zum Sonnenfleckenzyklus. 

Ganz ausgezeichnet ist bei der Periodizitätsanalyse der monatlichen potentiellen Evapotranspiration die Jahresperiode zu erkennen (Korrelationskoeffizient 0,95). Aus den Berechnungen ergibt sich für diese Periode eine Amplitude von 102 mm. Der Korrelationskoeffizient der Halbjahresperiode liegt ebenfalls über der Signifikanzgrenze. 

  

 

Abbildung 16: Jahressummen und Trend der Verdunstung 1851 - 1996 (in mm/a).  

  

 

Abbildung 17: Periodogramm der Jahressummen der Verdunstung 1851 - 1996. 
 
 

 

Autoren: Ursula Chowanietz und Wolfgang Gossel
 
 
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